Freitag, 12. September 2014

Wochenmärkte in Lyon - oder: Warum ich Wochenmarkttouristen verabscheue und manchmal doch selbst einer bin

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Beim letzten mal nahm ich euch mit über Lyons Büchermärkte; heute zeige ich euch, dass auch die einfachen Dinge - Tomaten, Chicorée, Honig - auf Lyons Wochenmärkten zu Poesie werden. In Lyon gibt es eigentlich keine Notwendigkeit sein Gemüse in sterilen, neonröhrenbeleuchteten Supermärkten einzukaufen. Schließlich gibt es an jeder Ecke und an fast jedem Tag in der Woche Wochenmärkte, auf denen Verkäufer und Erzeuger aus der Region ihre Produkte und sonnengereiften Früchte unter freiem Himmel anbieten.
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Ich liebe es in fremden Städten und Ländern über Wochenmärkte zu flanieren. Welch eine Vielfalt an Produkten, die auf die Besonderheiten der Region schließen lassen. Auf französischen Märkten fallen mir da immer besonders die Stände ein, die ausschließlich Ziegenkäse in allen Formen und Variationen anbieten. Daneben Gemüsestände, die ihre knackigen Coeur du boeuf - "Ochensenherzen" (Tomaten) - zu Bergen stapeln. Der Duft von saftigen Brathähnchen regt die Speicheldrüsen an.
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090911 383_ Gleichzeitig habe ich eine ganz schlimme Abneigung gegen Wochenmarkttouristen, die über den Markt schlendern, haufenweise Fotos schießen (und wenn sie so schüchtern sind wie ich, nichtmals um Erlaubnis fragen) und dann weiter zum nächsten Kaffeestand bummeln um dort bei einem Latte Macchiato die "herrliche Marktatmosphäre" zu genießen. Und dann, mit voller Speicherkarte und leeren Taschen weiterlaufen. Oder, wenn es ganz schlimm kommt, auch noch unschuldige Gemüsehändler damit belästigen, dass sie ja nichts kaufen können, weil sie nicht von hier sind und eigentlich aus xy sind, um auch noch ein authentisches Gespräch mit einem Einheimischen mit nach Hause zu nehmen. Dafür habe ich wohl zu lange auf der anderen Seite der Verkaufstheke gestanden, um davon nicht genervt zu sein. Der Markt lebt vom Verkaufen. Nicht davon, dass Touristen ihn schön finden und die nette Atmosphäre, die von Gemüsebergen und Blumenmeeren ausgeht, gratis bei einer Tasse Kaffee mitkonsumieren. Marktarbeit ist Knochenarbeit zum Broterwerb, keine Frischwarenausstellung - mal aus Händlerperspektive betrachtet. Da können einem umherschlendernde Touristen schonmal ganz schön auf die Nerven gehen...
090911 380_ 281111 522_ Also verhalte ich mich als Tourist auf Wochenmärkten entweder unauffällig und genieße nur mit Augen und Ohren, ohne allzu aufdringliche Fotos zu machen. Oder ich kaufe auch etwas. Ein paar Zwetschgen lassen sich doch wunderbar beim weiteren Spaziergang essen! Und wieso den Käse später im Supermarkt kaufen, wenn er hier auch zu haben ist? Das nehme ich dann als moralischen Freifahrtschein um auch noch ein paar Fotos mitzunehmen.
So. Soweit die Theorie. In der Tat bin aber auch ich manchmal ein ganz schlimmer Wochenmarkttourist und benehme mich wie oben beschrieben. Aber ich bemühe mich.

Zurück zu Lyon. Die Franzosen haben einen ausgeprägten Sinn für Ästhetik. Deswegen platzieren sie ihre Wochenmärkte wenn möglich an platanengesäumten Allen oder an Flussufern, wie hier am Ufer der Rhône.
Eigentlich hatte ich noch einen dritten Post in der Lyon-Markt-Reihe geplant. Dann aber festgestellt, dass ich vom Künstlermarkt, der jeden Sonntagvormittag am Saôneufer stattfindet, nur ein einziges verschähmt geschossenes Foto besitze. Wohl aus eben beschriebenen Markttouristenbedenken. Auch wenn dieses Bild nicht so recht zu überzeugen vermag, sage ich euch: dringende Besuchsemfehlung!!!
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Hach, Lyon...

4 Kommentare:

  1. Uh, aus der Händerperspektive habe ich das noch nie betrachtet! Und gestehe - ich liebe es, mir Wochenmärkte in fremden Städten anzuschauen. Meistens kaufe ich auch irgendwas, aber zum Großteil schlendere ich eben doch nur. Und in meiner Heimatstadt rege ich mich dann über all die Touristen auf, die den Weg verstopfen, wenn ich einkaufen will. Verdammte Doppelmoral :D

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  2. Die Bilder sind echt toll!

    Und danke, dass Du das Ganze mal aus der "Händler-Perspektive" geschildert hast. So habe ich noch nie darüber nachgedacht. Da ich aber auch nicht in Urlaub fahre, erübrigt sich bei mir das Nachdenken über das "Touri-Verhalten". Ich merke es mir einfach für den heimischen Wochenmarkt. Denn die Perspektive der Händler ist wohl überall die Gleiche, egal ob Frankreich oder Deutschland.

    Liebe Grüße
    Nicole

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  3. Als ich deinen Beitrag gelesen habe musste ich kurz schmunzeln. Mir geht es da ähnlich- ab und zu werde ich selbst zum Wochenmarkttourist. Gerade in anderen Städten. Irgendwie verleitet das. (=
    Die Bilder sind richtig toll geworden und erinnern mich an die Marktstände in Accra. Zumindest was das Aufschichten und drapieren der Ware betrifft.Je mehr südlicher man kommt, umso weniger lieblos werden Tomaten, Ananas und Co hingelegt.. Man kauft ja auch eher was, wenn es noch schön daliegt. ;)

    Danke auch für deine lieben Worte. Fufu und Erdnusssoße schmeckt wirklich richtig gut. Und Yam auch- aber die konntest du ja schon testen. Ich pendle zwischen Deutschland und Ghana hin und her. So geht das schon seit etlichen Jahren und jetzt, da ich eine eigene NGO gegründet habe (ohne Werbung machen zu wollen, aber falls du einfach mal schauen magst- www.facebook.com/AmebiiGhana bzw www.amebii-ghana.com) ) ist das mit dem hin und her pendeln noch extremer geworden.

    Ganz liebe Grüße und hab ein schönes Wochenende,
    Akosua

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  4. Coucou Mimi,
    merci de m'emmener ici !
    ja, die Frankophilie kann einen auch über Düfte und Geschmack überkommen ...
    Märkte sind (jenseits ihrer Verkaufspragmatik) doch eine wirklich schöne Flaniererei.

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